Psychologische Sicherheit – Fehlerkultur ist Innovationskultur

Amy C. Edmondson hat das Konzept der psychischen Sicherheit zunächst zufällig im Rahmen einer Untersuchung der Qualität von Teams in Krankenhäusern „entdeckt“. Sie ermittelte und verglich die Fehlerraten in klinischen Teams und stellte überrascht fest, dass die besten Teams die höchsten Fehlerraten hatten.

Heute, mehr als zwanzig Jahre später, ist diese Erkenntnis untrennbar mit Innovation verbunden. Das Schlagwort „Fail fast“ steht für ein Vorgehen, bei dem man möglichst schnell versucht, die Fehler eines Konzepts oder einer Lösung zu finden. Das Credo dahinter ist, dass Innovation nur durch viele Denkansätze, Ausprobieren, Fehler und Feedback entsteht.

Fehlerkultur

Edmondson beschreibt eine Begebenheit auf dem Weg festzustellen, dass die besten Teams die meisten Fehler berichteten. Eine Krankenschwester bemerkte, dass ein Arzt einem frühgeborenen Zwillingspärchen nicht das übliche Medikament zur Unterstützung der Lungenfunktion verschrieb. Sie überlegte den Arzt zu fragen, unterließ es aber, weil eine ähnliche Frage in der Woche zuvor unerfreuliche Reaktionen nach sich gezogen hatte. Zum Glück ging alles gut. Hätte sie die Frage gestellt, hätte sie aber etwas lernen können, wann man dieses Medikament nicht gibt. Oder es wäre ein Fehler bemerkt worden und das Team hätte vielleicht eine Checkliste entwickelt, wie Frühgeborene zu behandeln sind. Indem der Fehler transparent gemacht und die Ursache erkundet würde, hätte das Team gelernt. Wer Fehler nicht transparent macht, vergibt diese Chance.
Es ist gut, dass sich diese Erkenntnis inzwischen verbreitet hat. Ergänzen wir dies noch mit einer (großen) Prise Vertrauen (vgl. Zugehörigkeit zum Team entwickeln): Gehen wir davon aus, dass niemand absichtlich Fehler macht und dass jeder in der jeweiligen Situation und mit dem vorhandenen Wissen das Bestmögliche gegeben hat. Dann braucht man bei Fehlern nicht nach einem Schuldigen suchen. Sondern man sucht gemeinsam nach den Ursachen und lernt daraus.

Weitere Blogbeiträge

Hohe Ziele im Team setzen – das beflügelt Innovation

Neues zu denken und zu entdecken erfordert eine hohe Motivation. Wir gehen an dieser Stelle davon aus, dass auf Unternehmens- und möglichst auch auf Teamebene eine herausfordernde, erstrebenswerte Vision vereinbart ist. Im innovativen Teamprozess sollten wir aufgabenspezifische Ziele ergänzen. Für Innovationen muss der Erwartungshorizont hoch liegen –damit man quasi gezwungen ist, das Unmögliche zu denken. Und es muss natürlich das Verständnis aller sein, dass auch nur teilweise erreichte Ziele eine große Leistung sein können. Hier hilft das Bild vom Nordstern: Hell leuchtend, unerreichbar aber ein Sehnsuchtsziel.

Ratschläge sind auch Schläge – Feedback soll ein Geschenk sein

Vom Lernen aus Fehlern zu lernen aus Feedback scheint es nur ein kurzer Weg zu sein. Aber ein schwieriger. Haben Sie schon einmal ein „Jährliches Beurteilungs- und Förderungsgespräch“ gehabt? Oder einen Vier-Augen-Termin beim Chef unter dem Stichwort „Wir müssen redenm“?

Auch hier wollen wir positive Intention des Feedback-Gebenden fest voraussetzen – trotzdem sagt Razzetti, dass eine Beurteilung, auszudrücken, dass man etwas besser weiß, als der Beurteilte und der Antritt dem Beurteilten etwas beibringen zu wollen eher zu einer Abwehrhaltung führt. Psychologische Sicherheit geht anders.

Razzetti nennt fünf Veränderungen für besseres Feedback

1. Von jährlichen Leistungsbeurteilungen hin zu gelegentlichem, aber regelmäßigem Feedback.
Was im vorigen Absatz gesagt wurde, führt dazu, dass Menschen sich eingeschüchtert und wenig veränderungsbereit fühlen. Außerdem ist ein jährlicher Prozess schwerfällig und aufwändig. Stattdessen soll Feedback in den Alltag gehören.

2. Vom Feedback geben zum Feedback einfordern
Ungebetene Ratschläge sind zu vermeiden. Jeder soll für sich selbst entscheiden, welche Situation oder welches Arbeitsergebnis für ihn wichtig ist und dafür Feedback einfordern. Wie kann man dieses Verhalten einführen? Indem die Führungskräfte es vorleben und für sich selbst häufig um Feedback bitten. Dabei ist Feedback keine Top-Down Kommunikation mehr.

3. Von Top-Down zu Peer-zu-Peer Feedback
So wird es in agilen, selbstorganisierten Teams schon versucht: Das Feedback findet im Team statt und ein Teilnehmer, der zum Beispiel eine Präsentation gegeben hat, fragt um Feedback. Dabei kann er auch gezielt nach nur einem Aspekt fragen („Fandet Ihr die Grafiken gut?“) und man kann Regeln zum Feedback-geben aufstellen, z.B. die „I wish“-Regel. Dabei vermeidet man negative Bewertungen, sondern bietet positive Veränderungen an. Statt "Ich fand die Grafiken nicht gut.“ sagt man „Ich wünschte Deine Grafiken wären farbiger gewesen, um ihre Aussage zu unterstützen."

4. Von geschlossenem, individuellen Feedback zu offenem, kollektivem Feedback

Das offene, kollektive Feedback vermeidet heimliche Anschuldigen gegen Dritte und setzt das ganze Team in Verantwortung für seine Arbeitsergebnisse. Das Team muss mitdenken und sich fragen, wie sich das ganze Team verbessern kann.

5. Vom Aufwärmen vergangener Probleme zur Gestaltung der Zukunft
Das jährliche Beurteilungsgespräch genauso wie das Gespräch über Dritte in der Kaffeeküche haben eines gemeinsam: Sie wärmen Vergangenes auf und erinnern uns an zurückliegende Fehler. Die Vergangenheit sollte nur eine kleine Rolle spielen; ausgehend von Vergangenheit und Gegenwart sind die wichtigen Fragen:

  • Wo stehen wir und wohin wollen wir?
  • Was müssen wir tun oder verbessern, um dort hinzukommen?

Dies alles setzt schon ein Maß an Psychologischer Sicherheit voraus, sonst wirkt es aufgesetzt und künstlich. Gleichzeitig schafft es die Voraussetzungen für die weitere Entwicklung – hin zu weiterer Sicherheit im Team und damit Innovationsfähigkeit.