Die Kultur einer Organisation bestimmt, wie agil gearbeitet werden kann
Sicher es eines: Der Erfolgsfaktor Kultur wird häufig unterschätzt. Sonst würden nicht vielfach Mitarbeiter lediglich auf Methodentrainings geschickt - und die Verantwortlichen glauben, damit wäre das Wesentliche für die Einführung agiler Arbeitsweisen schon getan. Die Reife einer Organisation entsprechend dem
Modell von Prof. Graves entscheidet, wie viel Selbststeuerung möglich und wie viel Führung nötig ist.
1. Rot ist flexibel aber nicht agil
Betrachtet man die
Roten im Graves-Modell, dann fällt auf, dass diese ergebnisfokussiert sind und auch einen eher kurzen Zeithorizont vor Augen haben. Was vordergründig wie "agil" klingt, ist aber sehr auf Einzelpersonen bezogen und machtzentriert. Einer sagt an, wo es langgeht und wechselt daher auch bei Bedarf schnell die Richtung. Dies mag passend sein zum Feuerlöschen und für Task-Force, ist jedoch alles andere als agil, sondern impulsgetrieben. Die Hierarchie steht im Vordergrund, Selbststeuerung findet nicht statt. Gleiches gilt für einzelne "Helden" und "Künstler" in Organisationen, die außerhalb eines Steuerungsmodells agieren, für sich aber fälschlicherweise Agilität beanspruchen.
Erfolgsfaktor Kultur heißt hier: Agiles Arbeiten könnte als ein Management-Modell (wie jedes andere direktiv einsetzbare Modell) eingesetzt werden, um der
roten Kultur Einhalt zu gebieten und eine Entwicklung zum
Blau voran zu bringen - und die Organisation damit auf den Weg in eine gut steuerbare Welt zu bringen.
2. Blau bewegt sich in festen Strukturen und Abläufen
Die
Blauen nach dem Modell von Prof. Graves sind stabile Strukturen und Ordnung gewohnt. Für Projekte haben Sie umfassende Vorgehensmodelle und Verfahren entwickelt, die Verantwortlichkeiten sind klar - der Projektleiter "hat den Hut auf". Dabei befindet sich ein Projekt häufig in Konkurrenz mit anderen Vorhaben und mit den laufenden Tätigkeiten aus dem Tagesgeschäft.
Agiles Arbeiten ist hier zwiespältig: Einerseits schafft es Unsicherheit durch die Auflösung bestehender Mechanismen und einer längerfristigen, detaillierten Planung. Blaue Kulturen sehen KANBAN und noch mehr Scrum also als problematisch an. Andererseits akzeptieren sie es nach einer Übergangsphase als die neue, dann gültige Management-Methode (allerdings mit unverändertem Bedarf nach intensiver Führung und viel Prozessdisziplin). Die agilen Methoden eigenen sich also als überlegt einsetzbares Entwicklungsvehikel, um blaue Organisationen voran zu bringen und beweglicher zu machen. Hochwertige Kultur- und Umfeldanalysen sind dafür erfolgskritisch.
3. Erfolgsfaktor Kultur: Orange liegt das agile Arbeiten
Die orange Welt ist sehr offen für agile Arbeitsweisen. Die passen zu sehr vielem, was sich diese Kulturen wüschen: Fokussierung auf Ergebnisse, sichtbare Erfolge, persönliche Verantwortung, Pragmatismus und Flexibilität etc.
Die
orange Kultur hat auf KANBAN, Scrum und andere Ansätze förmlich gewartet, wertet aus, was am besten zu ihr und ihren Zielen passt und nutzt das dann. Bisher haben die wenigsten Organisationen oder Teams schon die Entwicklungsstufe
Orange erreicht. Es lohnt sich aber, mit gezielter Analyse nach den Teilbereichen (und deren Umfeldern) zu suchen, die ein hohes Potenzial haben. Dort lässt sich dann meist sehr erfolgreich mit agilem Arbeiten experimentieren. Der Einstieg geht also häufig über "
orange Inseln."
4. Erfolgsfaktor Kultur: Grün bringt die volle soziale Dynamik
Viele wünschen sich die
Kulturstufe Grün - für das persönliche Arbeitsumfeld und auch für das Miteinander in der Welt überhaupt. Fairness, Partizipation, Offenheit und so weiter haben einen hohen Stellenwert, wenn man die Menschen nach Ihren Wünschen fragt. Hier ist jedoch einmal mehr vom Erfolgsfaktor Kultur zu sprechen, weil dies vielfach noch ein Wunsch oder sogar eine Illusion ist. In einer
blauen oder expansiv-
roten Welt nur "nett" zueinander zu sein, ist kein
Grün.
Grün bleibt erlebbar den Menschen zugewandt, auch wenn es eng wird; wenn in der Krise der Chef dann wieder eingreift, ist diese Kulturstufe keineswegs erreicht.
Grün im Sinne des Graves-Modells gibt sich konsequent Feedback, macht alles zum Thema, klärt Probleme auf der menschlichen Ebene konsequent und nachhaltig. Insofern ist
Grün auch sehr fordernd, natürlich wertschätzend aber keineswegs "kuschelig" oder nett. Keiner wird am Wegesrand zurückgelassen, keiner darf aber auch zurückbleiben und weniger leisten, als er könnte. Agile Methoden sind wegen der hohen Transparenz und der ständigen Notwendigkeit von Kommunikation und Klärung ein perfekter Rahmen dafür. Hier kommen alle Ideale von Scrum & Co. zum Tragen - aber es ist auch fordernd für alle. Und es ist für eine auf Weiterentwicklung ausgerichtete Organisation eine lohnende Vision, mit dem Vehikel der agilen Arbeitsweisen bis hierhin vordringen zu können.